Sozial - Politik - Seminar
Studieninformationen, Analyse & Kritik
Sozial - Politik - Seminar
Studieninformationen, Analyse & Kritik
Die Politik ‚real existierender Wohlfahrtsstaaten‘
Einführung & theoretische Grundlagen: Was ist ein ‚Wohlfahrtsstaat‘ und wodurch wird dieser bestimmt?
Der ‚Sozial- oder Wohlfahrtsstaat‘ wird meist selbstverständlich mit der Garantie von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit oder gleicher sozialer Rechte und Teilhabe für alle Bürger (‚Inklusion‘) assoziiert, also ‚funktional‘ begriffen oder ‚definiert‘ (Kaufmann 2003). Die enormen Machtmittel (militärisch, ökonomisch, aber auch kulturell-symbolisch), die hoch konzentriert in den ‚Wohlfahrtsstaaten‘ versammelt sind, gelten damit als Mittel des guten Zwecks. Indes können soziale und politische Grundrechte bisher nur relativ wenige Privilegierte auf der Welt beanspruchen und kaum die Massen der Armen im Süden der globalen Arbeitsteilung oder die an der Festung Europa strandenden Flüchtlinge (Gresh et al. 2007). Aber auch in den sog. ‚Wohlfahrtsstaaten‘ bleiben z.T. eklatante soziale Probleme, Nöte und Verletzungen von Menschenrechten, z.B. bei besonders machtlosen Gruppen wie Obdachlosen oder Pflegebedürftigen.
Deshalb sollen hier die ‚real existierenden‘ Wohlfahrtsstaaten mit ihren Stärken und Schwächen als Machtfelder in einer globalen gesellschaftlich-ökonomischen Macht- und Arbeitsteilung rekonstruiert werden, d.h. im Zentrum stehen die Kämpfe um Hegemonie und das exklusive staatliche ‚Metakapital’ (Bourdieu 1998) zur Durchsetzung bestimmter Sichtweisen als allgemein verbindliche … weiter lesen ...
„Nichts erscheint erstaunlicher [...] als die Leichtigkeit, mit der die Vielen von Wenigen regiert werden, und die stillschweigende Unterwerfung, mit der Menschen ihre eigenen Gesinnungen und Leidenschaften denen ihrer Herrscher unterordnen. Fragt man sich, wie es zu diesem Wunder kommt, so stellt man fest, dass, zumal die Regierten stets die Stärke auf ihrer Seite haben, die Regierenden durch nichts anderes gestützt werden als durch Meinung. Regierung gründet sich daher ausschließlich auf Meinung, und diese Tatsache gilt für die überaus despotischen und militärischen Regierungen ebenso wie für die freiesten und republikanischsten“
(David Hume [1741/42] 1988: Über die ursprünglichen Prinzipien der Regierung, in: ders., Politische und Ökonomische Essays, Bd. 1, Hamburg, S. 25).
Politik der Armut und des Reichtums
Zum Armutsbegriff: Absolut und relativ
Armut und die Frage der gerechten Verteilung von Reichtümer können sowohl im globalen wie auch im nationalen Maßstab betrachtet werden, wobei beides wiederum zusammengehört. Wegweisend untersuchten und schätzten dazu Dikhanov u.a. (s. z.B. 2005) für die UN erstmals die globale Verteilung von Einkommen im Sinne der Welt als ein Land: Demnach lag um das Jahr 2000 das mittlere Einkommen der Welt bei ca. 460 $/Monat, jedoch: „The world’s richest 500 individuals have a income greater than that of the poorest 416 million“ (UNDP, HDR 2005). Und, so die UN weiter: „With 1,6% of the income of the richest 10% of the world‘s population or 300 Mrd. $, all people with less than 1 $ /day could live above that extreme poverty line.“ (ebd.). Während jedoch eine derartig nahe liegend erscheinende Lösung der extremen Armut oft für unmöglich oder illusorisch erklärt wird, nämlich ein rasches, koordiniertes und wirksames politisches Entscheiden und Handeln im globalen Maßstab, gelang dieses bezeichnenderweise bei der jüngsten Finanzkrise, als quasi über Nacht und länderübergreifend sogar ca. 1/3 des Weltsozialprodukts v.a. zur Stützung von Banken und Unternehmen mobilisiert wurde (http://www.un.org/ga/econcrisissummit/docs/Anatomy_26May_EN.pdf).
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Auch in Deutschland sind die gesellschaftlichen Ressourcen wie Vermögen und Einkommen - trotz oder vielleicht sogar auch wegen der wohlfahrtsstaatlichen ,Verteilungspolitik‘ (denn diese begründet einen Großteil der Legitimation der kapitalistischen Verteilungsordnung) - nach wie vor sehr ungleich verteilt. Hierzulande besitzen die 10% der reichsten Haushalte zusammen über immerhin ca. 60% aller Vermögen, während auf der anderen Seite ca. 70% der Leute kaum nennenswerten Besitz haben, zusammen nur ca. 10% der geschätzten Vermögen (SOEP; DIW 2007).
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Quelle: Der Bürger im Staat 4/2003.