Sozialpolitik in Europa: Einführung

Sozialpolitik in Europa zielt erstens mit vergleichendem Blick auf andere europäische Wohlfahrtsstaaten, wobei der Typologie Esping-Andersens folgend exemplarisch das sozialdemokratisch geprägte Schweden und das eher liberale Vereinigte Königreich betrachtet werden sollen. Allerdings ist die Einordnung Großbritanniens schwierig, weil es neben den traditionell dominanten liberal-konservativen Zügen seit dem Beveridge-Report und z.B. in der Gesundheitspolitik eher sozialdemokratische Züge aufweist. Allerdings ist seit ‚New Labour‘ ein quasi neoliberal-sozialdemokratischer Umbau in Richtung eines ‚schlanken‘, ‚gewährleistenden‘ Wohlfahrtsstaats zu beobachten, der zudem für die Reformen unter der Regentschaft Schröder-Fischer in Deutschland und insgesamt in Europa (u.a. in Schweden) einflussreich war. Die Frage ist hierbei, welcher Logik die in vielen Wohlfahrtsstaaten zu beobachtenden Abbau- und Umbaumaßnahmen gehorchen, sowohl hinsichtlich der abhängigen Variable der Strukturveränderungen der Wohlfahrtsstaaten als auch der darauf wirkenden Determinanten oder unabhängigen Variablen (v.a. soziale, ökonomische Faktoren auf der einen und politische Ideologien, Parteienmacht und Konflikte, Institutionen auf der anderen Seite).

Zweitens geht es darum, den wachsenden Einfluss der europäischen politischen Ebene, insbesondere der Europäischen Union im Bereich der Sozialpolitik zu betrachten. Zwar ist die Bedeutung der EU in der Sozialpolitik noch sehr gering – nimmt man Bereiche wie die Bedingungen von Wanderarbeitnehmer oder den Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie die Antidiskriminierung aus – und wir sind noch weit entfernt von einer tatsächlich ‚europäischen Sozialpolitik‘. Dem Projekt der europäischen Integration steht dabei in den letzten Jahren eine zunehmend heterogene und oft kritische Sicht der Bürger und der öffentlichen Meinung entgegen, die es näher zu beleuchten gilt, weil dieses für die Frage der Entwicklung einer europäischen Sozialpolitik sowie internationale Solidarität grundlegend ist. Eine basale und allererste Frage ist dabei die nach Sozialer Ungleichheit und Armut innerhalb Europas, die wiederum wesentlich mit der von Grenzen verbunden ist. Grenzen sind in einem erweiterten Verständnis multidimensionale komplexe soziale Konstruktionen und mit ‚Integration‘ und ‚Ausschluss‘ oder ‚Inklusion‘ versus ‚Exklusion‘ verbunden als Demarkationslinien zur Organisation von Macht und Herrschaft. Die Frage der Grenzen ist und bleibt in mehrfacher Hinsicht eine existentielle für die europäischen Wohlfahrtsstaaten und das ‚soziale Europa‘, weil der derzeitige Ausschluss der ‚fremden‘ Armen außerhalb der ‚Festung Europa‘ für ein ‚Soziales Europa‘ nicht dauerhaft zu legitimieren sein dürfte. Die Entwicklung zur europäischen Sozialpolitik schreitet aber auch in anderen Politikbereichen voran, etwa im Bereich der Gesundheits- und Pflegepolitik, wo sich ebenso die Frage der Integration, Koordination und Harmonisierung der europäischen Sozialpolitik stellt. 

Literatur:

Schmid, Josef (2001): Wohlfahrtsstaaten im Vergleich: Soziale Sicherungssysteme in Europa: Organisation, Finanzierung, Leistungen und Probleme, Opladen: Leske + Budrich.

Frevel, B./Dietz, B. (2004): Sozialpolitik kompakt, Wiesbaden: VS-Verl. (Kap. 6 u. 7).

Herrmann, P. (2005): Sozialmanagement in Europa. Herausforderungen verstehen, Strukturen kennen, Vorteile nutzen. Baden-Baden: Nomos.

Lampert, H./Althammer, J. (2004): Lehrbuch der Sozialpolitik, Berlin et al.: Springer, (Kap. XV Sozialpolitik der EU).

European Social Policy (einschlägige Zeitschrift)

Downloads, Daten u. Berichte siehe u.a.:

http://ec.europa.eu/employment_social/social_protection/index_de.htm

http://www.sozialpolitik-aktuell.de/info_europa.shtml

http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page?_pageid=1090,30070682,1090_33076576&_dad=portal&_schema=PORTAL